Kommunikation und Sprache

Kommunikation und Sprache
Kommunikation und Sprache
 
Seit etwa siebzig Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen mit dem Phänomen der Kommunikation. In der wissenschaftlichen Literatur finden sich ohne weiteres etwa 200 verschiedene Definitionen von Kommunikation, die sich voneinander gemäß des jeweiligen theoretischen Bezugsrahmens unterscheiden, aus dem sie entsprungen sind. Die sechste Auflage des »Meyers Konversationslexikon« von 1905 behandelt den Begriff »Kommunikation« in gerade zwei Zeilen als »Mitteilung; auch so viel wie Verbindung, Verkehr«; man beachte den Umfang des vorliegenden Textes im Vergleich dazu! Viele der Disziplinen, in deren Feld Kommunikation zu finden ist, sind Kinder des 20. Jahrhunderts.
 
Für die Kommunikation zwischen Lebewesen werden verschiedene Kanäle benutzt. Einige von ihnen, zum Beispiel der Austausch elektrischer Signale bei einigen Fischarten, haben sich in der Entwicklung zum Menschen nicht ausgebildet. Dennoch kommunizieren wir mit all unseren fünf Sinnen: Die chemische Kommunikation geschieht beim Menschen durch das Riechen oder Schmecken von Duftstoffen, die taktile Kommunikation durch das Berühren und Fühlen von Gegenständen und Personen und die visuelle Kommunikation durch das Sehen von Gegenständen und Personen, speziell deren Gesten und Mimiken. Die akustische Kommunikation schließlich ist durch Erzeugen und Hören von Lauten möglich. Der Mensch ist anatomisch so ausgestattet, dass er fein differenzierte Laute erzeugen kann. Dadurch ist er zu einer speziellen Form der akustischen Kommunikation fähig, zur Sprache, die er aber nur aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten als komplexeste Form der menschlichen Kommunikation nutzen kann und die ihn wesentlich von anderen Lebewesen unterscheidet.
 
Die verschiedenen wissenschaftlichen Fachrichtungen nähern sich dem Thema Kommunikation aus unterschiedlichen Richtungen. So untersucht die Evolutionsbiologie die Gestalt und Funktion der Sende- und Empfangsorgane und der Signale sowie die Rolle, welche die Emotionen und andere Impuls- und Bewertungsvorgänge im Gehirn spielen. Evolutionsbiologen erklären diese als Produkt von Selektionsprozessen, die den Erfordernissen biologischer Zweckmäßigkeit gerecht werden.
 
Die Philosophie sieht seit der Antike in der Verständigung zwischen Menschen einen zentralen Aspekt des menschlichen Wesens, nicht zuletzt, weil schon lange vor Entwicklung der Gehirnphysiologie der enge Zusammenhang zwischen Erkenntnis und dem, was heute unter Kommunikation verstanden wird, gesehen wurde. In ihren Teilgebieten, der modernen Logik und Sprachphilosophie, entdeckte die Philosophie wesentliche Gesetzmäßigkeiten der Kommunikation.
 
Durch den Aufschwung der technischen Medien bekamen die naturwissenschaftlich-technischen Informationstheorien Vorbildcharakter für viele andere Kommunikationstheorien. Die mathematische Informationstheorie entwickelte sich durch die Beschäftigung mit künstlichen Kommunikationssystemen wie Nachrichtenübertragung über Funk oder in Kabeln und insbesondere im Zusammenhang mit Computern. Verschiedene Bereiche der Technik, vor allem die Nachrichtentechnik, untersuchen die Möglichkeiten und Grenzen des Sendens und Empfangens von physikalisch definierten Signalen.
 
Die Psychologie macht Aussagen über die geistig-seelischen Grundbedingungen vor, während und nach dem Senden und Empfangen von Signalen sowie über deren Bewertung auf der Basis individueller und kollektiver Erfahrungen und Einstellungen; in all ihren Teilgebieten liegt eine Beschäftigung mit Kommunikation nahe. So stehen auf der einen Seite Disziplinen, die die psychischen Grundlagen der Kommunikation erforschen, etwa die Wahrnehmungspsychologie, die sich mit der Wirkung von Sinneseindrücken auf die Psyche befasst, oder die Neuropsychologie, deren Thema die körperlichen Grundlagen (insbesondere der Prozesse im Gehirn) unserer geistigen und seelischen Vorgänge sind. Auf der anderen Seite gibt es zahlreiche psychologische Disziplinen, in denen die Wirkung von Kommunikation analysiert wird, beispielsweise in der Sozialpsychologie. Schließlich widmen sich einige Fachrichtungen der (zumeist angewandten) Psychologie, wie die Kommunikationspsychologie oder Werbepsychologie, mehr oder minder ausschließlich dem Phänomen der Kommunikation. Zusammen mit Medizinern untersuchen Psychologen auch die Störungen, die bei der Kommunikation zwischen Menschen auftreten können. Die neurobiologische Forschung befasst sich mit den komplexen nervalen und biochemischen Vorgängen im Zentralnervensystem, die beim Aussenden und Empfangen von Kommunikationssignalen ablaufen.
 
Ausschließlich mit der gesprochenen und geschriebenen Sprache als Mittel der menschlichen Kommunikation beschäftigen sich die Linguistik und die philologischen Fächer wie zum Beispiel Germanistik und Romanistik mit ihren Teilgebieten und Hilfswissenschaften.
 
Prof. Dr. Wulf Schiefenhövel und Jörg Blumtritt
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Kommunikation: Eine Einführung
 
 
Mead, George Herbert: Sozialpsychologie. Aus dem Englischen. Neuwied u. a. 1969. Nachdruck Darmstadt 1976.

Universal-Lexikon. 2012.

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